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"1644 -in Malifixssachen der hexen von ginnersdorf (goennersdorf) und rudenbach (rodenbach)."

1644 Hexenwahn in Ginnersdorf und Rudenbach

Es war an einem kalten Abend im Januar des Jahres 1644.

Das kleine Örtchen Ginnersdorf (Gönnersdorf) mit 27 Häusern zum Kirchspiel Feldkirchen gehörend, lag schon in Dunkelheit. Verschneit lagen Straße, Wingert und Feld. Nur der kleine Waschbach, seitlich der Straße, murmelte sein altes Lied vom ewigen Kampf ums Dasein. Sonst war es ruhig und winterlich still. Hier und da huschte dumpfes Licht der Zinnlampen aus den kleinen Fenstern der schmucken Fachwerkhäuser.

Vor dem prächtigen Backhaus, nahe der Linde, standen zwei Männer und sprachen lebhaft einander zu. Es waren der Dorfschultheiß Gangfort und der Ausschöß (Gemeinderat) Tönges Becker, die sehr geheimnisvoll taten. Doch nicht lange währte Flüstern und Gebärde, denn die eisige Kälte zwang sie in die warme Stube des Schultheißen zu gehen, um hier die wichtige Sitzung unter vier Augen weiter zu führen.

Ja, hier war es schon behaglicher. Am Kamin knisterten die hell flammenden Buchenscheite und darüber baumelte an der "Hähl" der runde gusseiserne Topf, woraus die Dünste von heißem Wein mit Honig den Eingetretenen entgegen stieg. Beide rückten nun die Schemel nahe an das Feuer und rieben sich an der wohltuenden Wärme die Hände.

Nachdem Marie, des Schultheißen Frau, die steinernen Becher mit dem würzigen Roten gefüllt hatte, begann Tönges Becker mit seiner Anklage gegen die arme Imelehn, des Nalles Frau, wegen Zauberei.

"Die Imelehn muß brennen ..."

Hexenverbrennung  

"Item ist wahr" -

so begann der Ausschöß Becker, und fuchtelte überzeugend mit beiden Händen, "Imelehn ist schon Jahre verdächtig! Lässt doch vorigen Jahres, Zacharias Wittigs, einzige Kuh am Kopf gefühlet, vielleicht ihr auch ein verzaubert Kräutlein geben, daruff sie aufgelaufen und getötet. Die Alte ist eine Zaubersche, kannst glauben Gangfort, so wahr Gott im Himmel und der Teufel im Dorf.
    Der Böse hat ihr Materi (Zauberwurzel) geben und sie sich im dafür verschrieben. Mit der Materi kann sie allerlei Zauberei und Untat machen.
    Krays Ann bezeuget, als Imelehn mit einer Schanz Reisig aus der Heck kommend, auf der Hohl gerastet, habe sie heimlich mit dem Bösen getuschelt und dann die Materi über die Wingerte im Köweg ausgestreckt daruff hat gegeben die schlechte Ernt.
    Weiter hat sie verhext der Hilgert Waldorfs Wtw., ihr einzig Schwein. Hat hingeschmissen berührte Eicheln daruff das Schwein gerötet und gefochet vor innerem Brand und dann getötet.
    Des weiteren zeuget Dönges Lichtenthaler, Imelehn habe behext seine Frau. War im Herbst bei der Weinles, als Tönges Frau auf dem Bugert hat Treber hingeschüttet, kam die Alte vorbei, hat der Lina zugenickt und habe etwas unter der Schürze gehabt, daruff Lina totkrank geworden. Die Wolfendorfer waren daruff sehr empört. "Alle Leut im Dorf wissen, das sie Zaubertränklein an junge Leute hat geben."

"Der Zeugen sind genug, jetzt müssen wir zugreifen, Gangfort, damit die Untat nicht noch größer wird. Wir werden dem Fiskus melden – "Die Imelehn muß brennen damit alles Böse ausgerott wird."

So, und noch viele mehr dieser Anklagen überhäuften den Schultheißen aus Ginnersdorf zu dieser abendlichen Stunde am Kaminfeuer. Gangfort hatte bisher kein Wort gesprochen. Noch immer schaute er, nachdem Tönges Becker geendet, in das lodernde Feuer. Gedankenvoll lag seine Stirn in Falten. Erinnerten ihn doch diese züngelten Flammen an Qual und Schmerzen. Leid an Unschuldigen, die in solchen Flammen litten und starben.

Plötzlich sprang er auf, um seiner inneren Auflehnung, gegen diesen Hexenwahn Luft zu machen. Doch dann hielt er aufstöhnend inne, dann wurde ihm klar, das alle Zuwiderhandlungen zwecklos waren und am Ende alles auf ihn zurückfiel um schließlich ihn, den Schultheißen des Dorfes auch als Kumpan des Teufels zu bezichtigen. Und so nickte er stumm dem Ankläger zu.

 

Schultheiß Gangfort war ein einsichtiger, tief denkender Mensch, dem diese sinnlose Verfolgung unschuldiger Menschen zuwider war.

Innerlich war er mit seinem Herrn und Gebieter, des Grafen Friedrich zu Wied, einer Meinung, das der Hexenwahn eine gezüchtete Volksseuche war, die von der "peinlichen Halsgerichtsverordnung Kaiser Karls des V.", und des "Hexenhammers", ausging.

In allen Städten und Dörfern schrie man nach Hexen, Blut und Flammen. Und das Volk fand sie, diejenigen, die mit dem Bösen gemeinsame Sache machten, und sie brannten.

Was blieb dem Grafen Friedrich anders übrig, als oberster Richter, gegen seinen Willen, die grausamen Urteile zu fällen, um dem Wunsch seiner Untertanen gerecht zu werden.

Nun war es hier in dem kleinen Örtchen Ginnersdorf (Gönnersdorf) mal wieder so weit, das man die Steine des Anstoßes gegen die arme Imelehn zusammengetragen hatte.

  Halsgerichtsverordnung

Imelehn (Helene Imel) und Nalles (Arnold), ein armes zufriedenes Ehepaar wohnten zurückgezogen in einer Kammer bei Adam Eckert dem Ackerer mit 458 Gütern (Parzellen). Hier hatten sich Beide verdingt und halfen in Wingert und Feld fürs tägliche Brot.
   Da nun die Imelehn, bedingt durch ihre Armut ein zurückgezogenes Leben führte und eine gewisse Menschenscheu an den Tag lehnte, mag vielleicht der Grund zum ersten Stein gewesen sein. Imelehn war der Zauberei beschuldigt und dem Schultheißen bleib nur die Wahl, die Anzeige beim Frohn in Fahr am Rhein zu melden.

Am 14. Januar 1644

war es so weit, da man Imelehn, und zu gleicher Zeit mit ihr, (die Freygen) Veronika, des Kohlenbrenners Frau aus Rudenbach (Rodenbach), auch eine Zaubersche, nach Fahr am Rhein zum Zeugenverhör brachte.

Nachdem vor dem Frohn in Fahr am Rhein, zwölf Zeugen ihre Aussagen gegen beide Frauen gemacht hatten, überführte man sie nach Wied (Altwied) in Haft. Hier war auch das oberste Gericht, der wiedische Fiskalis, der über Leben und Tod entschied.

peinliches Verhör nach der Halsgerichtsverordnung

Auf der Stuben, in Adam Spaders Haus, wurden die zu Hexen gestempelten vom Fiskal nochmals gründlich examiniert (verhört). Dann begann dann ein Leidensweg, den man in Worten kaum schildern kann.

Ein Beispiel aus dem Akten


Uff den Turm ist sie in den Raum torture geführt worden.

Wie die Güte nicht verfangen will, hat der Meister (Henker) sie besichtigt und danach die Haare abgeschnitten. Daruff die Hände auf den Rücken gebunden sie fleißig ermahnet sich vor Marter zu schützen und die Wahrheit zu bekennen.

Danach ist sie an die Schnur gebunden worden. An der Schnur geschüttelt. Auf der Bühn gestanden, Augen zugebunden, Schuh und Strümpf ausgezogen, den Wolf (Folterwerkzeug) an das rechte Bein geschraubt.

Unterdessen hat sie Gottes Sprüche erzählet und sich Gott befohlen.

Wiederum wird sie uffgezogen.

Als sie nicht bekennet, ist ihr ein Stein an die Füß gebunden und wieder uffgezogen. Als dann eine Leiter zwischen ihre Bein gesteckt und sie damit geschüttelt. Nun der Wolf härter geschraubt worden. Sie hat gekrichen, gefragt, ob sie bekennen wolle, dass sie von Gott abgefallen sei? Sie sei eine arme Sünderin, aber keine Zaubersche, und sie wisse nichts vom Teufel, könne auch nichts sagen.
Hiruff eine halbe Stund uff und abezogen doch nichts bekennte.

  Theresiana hochziehen
Stachliger Stuhl - Befragungsstuhl  

Jetzt ist befohlen worden sie uff den stachligen Stuhl (Befragungsstuhl) zu setzen und vier Stunden nakich daruff zu sitzen.

So ist auch geschehen.

So musste die Ärmste, sieben Tage lang diese Tortur durchstehen.

Mit den grauenhaftesten Foltermethoden gepeinigt, bis sie selig und körperlich zermürbt, geschwächt, sich nach dem Tod sehnte der ja eine Erlösung für sie war.

Nachdem sie alles, was ihr zu Last gelegte, und noch das unglaublichste dazu, bejahte, folgte das Urteil.

 

Peinliche Klag des gräflich Wiedischen Fiskals

contra

Imelehn, des Nalles Frau zu Ginnersdorf.

Praesentiert vor peinlich behegten Halsgericht zu Wied

am 22 Janoaris 1644

 

Vor euch erscheinet Fiskalis mit folgenter Anklag:


1. Anfänglich war, das in Gottes heiligem Wort, göttlichen und heiligen Rechten, sonderlich auch der peinlichen Hals- und Gerichtsverordnung das teufliche Zaubereylaster und der Abfall vom Allmächtigen bei Leibes und Lebensstrafe verboten ist.

2. Wahr aber, das peinlich Beklagte in solches Laster aus teuflicher Verführung geraten und Gott, dem Allmächtigen ab, und dem leidigen Teufel zugefallen ist.

3. Wahr, das sie auch mit ihrem Buhlen auf Zaubertänzen mitgewesen ist. Da selbst Getanzt und mit ihm, in unnatürlicher Weise gebuhlet hat.

4. Wahr, das sie von ihrem bösen Buhlen Materi bekommen hat, womit sie an Menschen und Vieh Schaden getan hat.

5. Wahr, das sie solches alles gütlich und peinlich bekannt hat und daruff christlich leben und sterben will.

Bittet demnach Fiskalis, sie mit Feuer vom Leben zum Tod zu bestrafen.

* * *

Nicht anders erging es der Freygen, des Kohlenbrenners Frau aus Rudenbach (Rodenbach).

Nach den üblichen Verhören und Folterungen, kommt der Fiskal zu folgender Feststellung:

Inquisitie

contra

Freygen, des Kohlenbrenners Frau zu Rudenbach

Punkto Zauberey

 

1. Wahr, das vermöge göttlich und weltliche Rechte das Laster der Zauberey höchlich verbr.

2. Wahr, das sich peinl. bekla. Freygen von dem bösen Feind zu solchem Laster verleiten und verführen lassen.

3. Wahr, als sie noch zu Urbach bey Tomas, ihrem Vater war, habe sie ein Knecht, Veltens Bruder, Endris genannt, lieb gehabt, deswegen ihr Vater übel mit ihr umgegangen und solch Heirat nit sehen und haben wollen, seie der böse Feind in Gestalt des Knechtes zur Urbach im Feld bey den Kühen bey sie gekommen, und mit ihr gebuhlet.

4. Wahr, das, nach fleißig Gebet, Ruhe vor dem verführerischen Geist gehabt.

5. Wahr, als sie ihrem Mann Johann zu Rudenbach bekommen, und eine Kuh ihr krank geworden, hätte sie gesagt, hätte ich doch etwas, das ich der Kuh eingebe, da wäre der Böse, ich noch unbekannt, im Haus gewesen ihr ein Kraut zusammengeknautchet, gegeben, der Kuh einzugeben. Die Kuh sey daruff gestorben. Wäre kein anderer gewesen als der Böse.

6. Wahr, das derselbe böse Feind nachderhand vielmals zu ihr, wie auch noch kürzlich, als sie von Leutesdorf kommen und Besen dortselbst verkauft, auf dem Weg kommen, hätte mit ihr gebult und nenne sich derselbe, Federhans.

7. Wahr, das sie auf verschiedenen Zusammenkünften und Tänzen uff der Thecke bey der Veltkircher Linde und uff anderen Plätzen gehalten, um Äpfel, grüne Früchte und anderes zu verderben.

8. Wahr, das sie der Kathrin aus Ruden Äpfel zu essen gegeben, davon sie so gleichwohl, ohne das sie krank war, gelegen habe.

9. Wahr, das sie Trine Leisen Christges Frau zu Rudenbach im Kindbett im Wein etwas zugebracht, wovon sie sehr krank war. Nachher wäre ihr Kind, so es von der Mutter gesogen hätte, auch krank geworden und gestorben.

10. Wahr, das sie ihren eigenen Vater zu Urbach ein rot Pferd mit Gift, so im Heu verwickelt, verbracht.

11. Wahr, das sie anderen viel Schaden zugefügt, von dem Bösen dazu getrieben.

12. Wahr, das sie ihr selbst eine Kuh, ein Rind und ein Herbstkalb ertötet wie auch ein Schaf.

13. Wahr, das sie alles frey und gütlich bekannt, allzeit mit einerlei Umständen respecktiert und wiederholt auch daruff endlich das hochwürdig heilig Sakrament empfangen, das daruff, das alles wahr seye, leben und sterben wolle.

sentetia

Das die Freygen mit dem Feuer vom Leben zum Tode zu richten seye, gestalt welcher sie dann hiermit dazu verdammen und erkennen mit Verdammung der Unkosten und solches von Rechtswegen.

Publikatum zu Wied 12 Januaris 1644

 

Das Urteil über die beiden Frauen war gefällt und zwar wie es heißt, mit dem Feuer vom Leben zum Tode.

Wie steht es doch so gefühllos und kalt geschrieben, in einer noch vorhandenen Kostenaufstellung, nebst den Kosten an Mahlzeiten, Wein und Branntwein am Schluß,

…zwei Schlitten Holz für beide Weiber …………….16 Albus

Das war das Ende, und zwar das Schrecklichste, der Tod in den Flammen.

Verzeichnis der Unkosten wegen beyder Weiber:
Imelen von Ginnersdorf und Freygen von Rudenbach, als sie in Haft gewesen seynd, bey Adam Speder, dem Wirt zu Wiedt. Seynd uffgemacht worden wie folgt in Anno 1644 (pdf-Datei, 1.264 KB download)

Vielleicht stand unter den Schaulustigen, als die Flammen loderten, das nächste Opfer!?

Bis in das sechzehnte Jahrhundert brannten die Scheiterhaufen allerorts im Land und tausende unschuldige Frauen und auch Männer, kamen durch diesen Wahn in den Flammen um.

 

In den Gerichtsakten findet sich ein "Bittbrief" (Supplikation) der zwei minderjährigen und nunmehr ohne Mutter hinterbliebenen Kinder der Freygen von Rudenbach, gerichtet an den Grafen zu Wied - der im folgenden zitiert wird.

Supplikation an den Grafen


Ludwigs u Peters als der entleibten Freyen nachgelassener Kinden.

Demnach unsre Mutter, zwar wegen ihrer Übelthatenen justifiziert, von Engelbert Ermahen aber verführt u als zu solchem Tod gebracht worden, gestalt sie dann uff ihn alleien gestorben, wir endsbenannte aber ihre beiden Kinder hiedurch unsere Mutter in unserem Haus verloren, deren wir doch hochbenötiget, sonderlich ich, Peter genannt, der ich noch unerzogen und kein Stücklein Brods verdienen kann, als ist an Euer Hochgräfliche Gnaden unsre beider unterthänig hochflehentlich Ersuchen u Bitten, dieselbe geruhen, unseren elenden Zustand gnädigen Befehl ergehen zu lassen, daß uns ernannte Engelberts Mitteln eine billigmäßige Ausstattung geschehen möge, damit wir vollmals mit Ehren erzogen und sampt unserem alten Vater, der der Arbeit nicht mehr vorstehen kann, notdürftige Unterhaltung haben mögen, welches wir uns dann in untertänigster Gebühr gehorsambst getrösten.

Euer Hochgräfliche Gnaden

Unterthänigst gehorsambste

Ludwig Becker und Peter Rotpert, als beide der

entleibten Frey hinterlassenen Kinde.

 

* * *

 

Aus Gerichtsakten recherchiert durch den Heimatforscher:

Fritz Büschler
Neuwied-Feldkirchen (Gönnersdorf)

Für das Internet aufbereitet von:

Erich Walther
Neuwied-Feldkirchen (Fahr am Rhein)

Stand: April 2011 | Copyright Büschler/Walther - Alle Rechte vorbehalten.